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Neu und hochgradig spannend:
Eine neue Norm zur „Dichtheitsprüfung von Reinräumen"


Der Bauherr oder Nutzer eines Reinraums geht grundsätzlich davon aus, dass der Raum den er nutzt dicht ist. Jeder Auftraggeber ist bis zur Durchführung einer Dichtheitsprüfung der Meinung einen „dichten“ Reinraum bestellt und erhalten zu haben. Es geht ja auch gar nicht anders: Die hohen Anforderungen an eine hygienisch einwandfreie Raumluft erfordern eine luftdichte Raumhülle. In Kombination mit einem stets ausreichenden Überdruck in Operationssälen bzw. Unterdruck in Laboren, kann so der Austausch von Schadstoffen und keimbelasteter Luft durch Undichtheiten vermieden werden. Zudem ist auch der energetische Aspekt nicht zu verachten. Unnütz bewegte Luft kostet Energie und damit auch viel Geld für Ventilatoren, Filter und Beheizung oder Kühlung.

Stellen Sie sich nun die Überraschung vor, wenn man eine Dichtheitsprüfung eines Reinraumes durchführen möchte, aber das eingesetzte Prüfgebläse nicht ausreicht, um den nötigen Druck im Raum zu erzeugen! Oder gar folgender Effekt eintritt: In einem Krankenhaus soll ein OP-Raum auf Dichtheit geprüft werden. In diesem Zusammenhang wird der Raum mit Kunstnebel beaufschlagt und dabei wird ein nebenliegendes Flucht-Treppenhaus des Gebäudes mit Nebel geflutet. Eigentlich unvorstellbar, dass hier ein Luftverbund existiert, aber in der Realität leider an der Tagesordnung. In sehr aufwendiger Detailarbeit erfolgt danach die Leckageortung. Viele fehlerhafte Installationen sind im Nachhinein nicht mehr oder nur mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand zu finden bzw. zu verschließen, da oftmals die Zugänglichkeit nicht mehr gegeben ist.

Besonders problematisch sind diese Erkenntnisse unter dem Gesichtspunkt, dass Krankheitserreger sich auch durch die Luft übertragen und sich dann häufig trotz umfangreicher Hygienemaßnahmen festsetzen. Diese Hospitalkeime werden zu einer immer größeren Bedrohung für die Volksgesundheit. Nach Feststellungen des Statistischen Bundesamtes, entsprechenden Erhebungen und klinischen Studien werden jährlich fast eine Million Patienten von ca. 14 Millionen Besuchern und Mitarbeitern deutscher Krankenhäuser und Kliniken durch nosokomiale Keime infiziert.

So werden sich vor allem Krankenhäuser und Hygienemediziner, aber auch die Betreiber solcher Anlagen, noch intensiver als bisher mit dieser Thematik befassen müssen. Dabei spielt auch die Luftdichte der Räume, in denen solche Keime vorkommen oder in denen Patienten vor solchen Keimen geschützt werden sollen, eine erhebliche Rolle.

Bisher untersuchte Reinräume wiesen überwiegend eine völlig unzureichende Luftdichtheit auf: Bei bereits durchgeführten fast 300 sogenannter Blower-Door-Messungen (der Autor dieser Zeilen beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Luftdichtheitsmessung von Reinräumen) ergab sich ein Durchschnitt der Luftwechselrate n50 von 11,3 (1/h). Die aus dem Hochbau seit langen Jahren bekannten Grenzwerte (die Luftwechselrate n50 für ein Wohngebäude mit einer Lüftungsanlage liegt bei höchstens 1,5 (1/h)!) sind bei der Planung von Krankenhäusern, Labors und anderen medizinischen Einrichtungen allerdings offensichtlich unbekannt oder werden schlichtweg nicht beachtet. Bei nahezu allen Messungen konnte festgestellt werden, dass die einzelnen Räume entweder gar keine sinnvolle oder eine ungenügend geplante und meistens noch schlecht ausgeführte luftdichte Schicht aufwiesen.

Die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse dieser Dichtheitsmessungen und die Tatsache, dass bis dato keine geeignete Richtlinien für die Anwendung im Reinraumbereich vorhanden waren, haben eine kleine Expertengruppe um den Autor bereits 2007 dazu veranlasst, die hohen Anforderungen an Reinräume in einem Normvorschlag zu veröffentlichen. Das hat dazu geführt, dass sich ein Ausschuss aus in Europa führenden Fachleuten unter dem Schirm des Verbands Deutscher Ingenieure (VDI) konstituiert und das Thema abgearbeitet hat. Das Ergebnis ist eine neue Norm, die VDI 2083/19, die noch dieses Jahr veröffentlicht wird. Sie enthält Klassifizierungen der Dichtheit, Hinweise zur Herstellung von dichten Reinräumen und auch an Festlegungen des Mess- und Prüfverfahrens wurde gedacht. Diese Richtlinie und die beschriebenen Verfahren sind sinngemäß auch auf andere Räume anwendbar, deren Dichtheit z.B. wegen der zunehmenden Verwendung von Wasserstoffperoxid als Dekontaminationsmittel und wegen des Einsatzes von toxischen Substanzen geprüft werden soll.

Endlich gibt es für alle am Bau und am Betrieb von Reinräumen Beteiligten eine klare und deutliche Richtlinie, die die Handhabung einer Vielzahl von Fragestellungen um die Dichtheit dieser Räume deutlich erleichtert und auch praktische Hilfestellungen für Prüfung und Betrieb enthält.

 

Dieser Artikel ist in der Fachzeitschrift "Bauten des Gesundheitswesens" Ausgabe August 2015 erschienen, unser GF Daniel Jung ist der Autor:

Daniel Jung ist Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, Dozent für Bauphysik, fachzertifizierter Thermograf und Mitglied in zahlreichen Norm- (wie eben dem Ausschuss VDI 2083/19) und Fachausschüssen.

 

 

Seit 2013 ist unser Geschäftsführer Daniel Jung
Mitglied im
Fachausschuss VDI 2083 Blatt 19, Dichtheitsprüfung von Reinräumen.

 

Um für die Zeit bis zur Verabschiedung von Normen oder Richtlinien dem Planer, Komponentenhersteller und Ausführenden von Reinräumen Hilfen für die sachgerechte Erstellung der luftdichten Hülle und der Lüftungstechnik an die Hand geben zu können, wurden folgende Anforderungen an die Luftdichtheit von Reinräumen bereits September 2007 zusammengestellt:

Normentwurf